Warum du mit Fahrrad fahren die Welt auch nicht rettest

Ein bewußt provokant-irreführender Clickbait-Titel, genau so wie die ARD-Doku „Kann das Elektroauto die Umwelt retten?“ oder ze.tt „Warum du mit Elektroautos nicht die Welt rettest„.
Die ARD-Doku hat der Graslutscher schon in alle Einzelteile zerpflückt (Wie eine ARD-Doku absurdes Zeug über Elektromobilität verbreitet und dadurch den Klimawandel verstärkt). Ich nehm mir mal genüsslich den zweiten journalistischen Beitrag vor:

Allein schon die Auswahl der verlinkten „Belege“ zeugt schon ungeheurer von der Sachkompetenz der Autorin als Journalistin aka Universaldilettantin: Zeit, ADAC, BR, businessinsider, Deutschlandfunk, Spiegel – allesamt die üblichen Verdächtigen des „Qualitätsjournalismus“ von denen mal wieder nur recherchefaul und unkritisch abgeschrieben wurde. Das Ergebnis ist da vergleichbar mit dem was bei „Stiller Post“ heraus kommt.

Und schon die erste Behauptung des Artikels ist ein Griff ins Klo: nämlich dass Elektroautos beim Bremsen genausoviel Feinstaub erzeugen wie Verbrenner. Dummerweise und ausgerechnet bremsen Elektroautos anders als Verbrenner vorwiegend durch Rekuperation, erzeugen also gerade weniger Bremsabrieb. Aufwirbelung und Straßenabrieb bleiben natürlich, wird im Artikel im Gegensatz zur Quelle aber gar nicht problematisiert.

Und weiter wird selbst diese zweifelhafte Quelle weiter falsch einseitig dargestellt, denn gerade beim PM2,5 Feinstaub, der gemeinhin als besonders gesundheitsschädlich erachtet wird, liegen die Verbrenner eindeutig vorne. Das wird unterschlagen.

Weiter wird den Elektroautos vorgehalten, dass sie bei der Herstellung CO2 und Feinstaub produzieren. Nur dass für den Stahl und den Kunststoff der Verbrenner-Autos das gleiche gilt wird ebenfalls unterschlagen.

Und bei der Batterie wird es noch obskurer, denn es wurde einfach die Behauptung der BR-Seite übernommen, die sich auf Angaben des Bundesumweltumweltministerium (nicht mit dem Umweltbundesamt zu verwechseln) in mg/km stützt. Dummerweise ist die verlinkte Quelle nicht mehr verfügbar. Das hätte bei einer sorgfältigen Recherche auffallen müssen. Stattdessen wurde nur nachgeplappert was auf der Seite des BR steht. Und dass Elektroautos weniger bzw. gar keine Stickoxide emittieren wurde gar nicht angerechnet.

Überhaupt fehlt im Artikel auffällig oft genau dann die Relation zum Verbrenner, wenn dieser schlechter abschneidet. Von den deutlichen Vorteilen ganz zu schweigen z.B. dass nur ein Elektroauto mit der Zeit sauberer wird, wenn eben der Ökostromanteil steigt und wenn wir die allerschlimmsten Folgen des Klimawandels für uns verhindern wollten, dann muss der gesamte Strombedarf (der sich durch Ersatz weiterer fossiler Energieträger verdoppeln wird) aus Ökostrom gedeckt werden. Das ist mit Verbrennerautos auf gar keinen Fall möglich, mit Elektroautos zumindest machbar. Sprich: wenn Auto, dann Elektro und kein Verbrenner.

Und dann wird der CO2-Ausstoß pro kWh-Speicherkapazität mit einem Link auf den businessinsider belegt, der auch nur die Falschinterpretation der „schwedischen Studie“ mit vollkommen absurden Randbedingungen bringt. Auch wieder alles nur abgeschrieben ohne kritische Prüfung.

Und dann im Jahr 2019, wo schon zig Tausende Elektroautos Millionen von km gefahren sind, es als unsicher darstellen ob eine Batterie länger als nur 80.000 km hält ist angesichts der Fahrleistungen von Elektroautos und den Garantien die die Hersteller geben nicht einfach ein schlechter Witz, sondern dreiste Realitätsverweigerung. Aber bei so dünner Argumentation gegen Elektroautos hat es die Autorin wohl nötig auf derart absurde Behauptungen bzw. Panikmache zu setzen.

Und dann noch behaupten, dass lt. ADAC ein Elektroauto erst nach 580.000 km klimaneutraler sei als ein Diesel setzt dem die Krone auf. Wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird zeigt, dass die weiter oben verlinkte Seite des BR ganz andere Zahlen präsentiert, wonach das Elektroauto schon nach 150.000km, selbst mit EU-Strommix gegenüber den Verbrennern im Plus ist. Angeblich auch in Übereinstimmung mit dem ADAC.
Die Seite des ADAC, die die Behauptung der Autorin mit den 580.000km belegen soll, existiert dann auch gar nicht oder nicht mehr. Sehr überzeugend!

Damit hat sich die Autorin fachlich ja schon vollkommen disqualifiziert. Aber jetzt kommen noch ihre Ratschläge an den Leser: zu Fuß gehen, Fahrrad fahren und Bahn benutzen!
Und sie überlegt ernsthaft ein Verbrenner-Auto mit Gas aus Bio-Müll zu betreiben und meint nur die Anzahl der Tankstellen sei ein Problem!
Eigentlich nur noch vollkommen lächerlich, aber mal ernst genommen:
die Autorin wohnt wohl in einer Großstadt mit gut ausgebautem ÖPNV, überall Radwege, kurze Wege zum Einkauf, Freizeitangebot, Arbeitsstelle, Schulen, öffentliche Einrichtungen usw.. Dann soll die gute Frau, das gleiche zu Fuß, mit dem Rad, mit ÖPNV auf dem platten Land versuchen zu erreichen, wo es reliefbetont (Mittelgebirge) 20km in die nächste Stadt sind und am Wochenende kein einziger Bus mehr fährt. Da bin ich aber mal gespannt wie Frau Qualitätsjournalistin den Großeinkauf am Samstag zu Fuß, mit dem Rad und dem Bus hinbekommt. Und das ohne dämlichen, männlichen Packesel, den Madam eben mal durch die halbe Republik zum Einkaufen schicken kannyoutube-Link (7 Minuten).
Oder wenn Frau Qualitätsjournalistin Montag morgens um 6 Uhr im Dunkeln und im Winter bei -10 Grad C Eis- und Schneeglätte (ja, auch mit Klimawandel wird es winters noch kalt bei uns werden) an der Haltestelle auf den Bus wartet, der Verspätung hat und so langsam die Eiseskälte von unten in die Füße zieht, dann will ich nicht wissen wie schnell sie sich ein mit Ökostrom vorklimatisiertes Elektroauto wünscht.
Der absurde Gedanke Verbrenner mit Gas aus Bio-Müll zu betreiben lohnt eigentlich gar nicht die Mühe. Abgesehen von der totalen Unwirtschaftlichkeit der Herstellung des Gases wird die Menge und der schlechte Verbrennerwirkungsgrad niemals für einen Bruchteil der Autos reichen, die jetzt schon elektrisch unterwegs sind. Das sind Öko-Phantasien einer wohlstandsverwöhnten, sachlich vollkommen inkompetenten, urbanen Grünen-Wählerin mit Realitätsverlust.

Das Fazit ist dann nicht nur zynisch, sondern vollkommen daneben:

Ohne dass gerade wir in unseren reichen Ländern auf Bequemlichkeiten verzichten, lässt sich der Klimawandel nicht mehr aufhalten. Schon gar nicht mit Elektroautos.

Wenn „wir“ auf unsere Bequemlichkeit verzichten, aber unser Nachbar mit seinem neuen Verbrenner-SUV mit 200 Sachen über die Autobahn rast und drei mal im Jahr in den Urlaub fliegt – stellvertretend für all die von unserer korrupten Politik geduldeten und geförderten THG-Emissionen der Reichen, der Energiekonzerne, der Ölscheichs, der Landwirtschaft, der Industrie usw. – dann retten wir die Welt auch nicht mit Fahrrad fahren. Wobei die Welt sowieso nicht gerettet werden brauch. Es geht um unseren Arsch bzw. den künftiger Generationen. Und da werden wir mit diesen korrupten Titanic-Politikern nicht mal das Allerschlimmste verhindern, egal wieviel CO2-Äquivalent man persönlich einspart. Und dass man die Welt mit Elektroautos retten könne, hat auch niemand außer der Autorin behauptet und das entlarvt den Artikel als reines Strohmannpamphlet.

Um „Dann hat Klimaschutz ja eh keinen Sinn“-Missverständnissen vorzubeugen: ich will niemanden davon abbringen seinen CO2-Fußabdruck zu verringern, indem er Fahrrad fährt (tue ich auch), zu Fuß geht, Bahn fährt (tue ich nicht), Konsum reduziert, Veganer wird, nicht mehr fliegt, das Dach mit Solarzellen vollpflastert, Ökostrom bezieht usw. denn mit jeder kWh gesparter fossiler Energie wirft man den fossilen Ölscheichs und Energiekonzernen nicht mehr das eigene Geld aka Arbeitsleistung in den Rachen. Und mit jeder Investition in nachhaltige, fossilfreie Energieträger wird man unabhängiger von den Fossil-Dinosauriern, sprich kann Geld sparen, muss weniger für andere arbeiten und hat mehr Freizeit und Lebensqualität.
Und wer Klimaschutz-Wasser predigt, sollte nicht selbst fossilen Wein trinken um glaubwürdig zu bleiben und nicht als moralisches A..bziehbild der Konsumgesellschaft dazustehen.

Und in diesem Sinne kann ein Elektroauto auch eine sinnvolle Investition sein, wenn es denn wirklich Sinn macht, was eine bewußt durchdachte, rationale Kaufentscheidung bedeutet und eben kein testosterongesteuerter Schwanzvergleich mit dem Nachbarn.
In einer Großstadt wo man alles in der Nähe hat und mit Bus&Bahn perfekt angebunden ist, macht ein Auto, das unbestritten nicht die sauberste Mobilität darstellt und kein Modell für 7+ Milliarden Menschen darstellt, eher keinen Sinn. Dafür wird man sein Geld für hohe Mieten ausgeben müssen und das um so mehr je mehr Leute in die Städte ziehen und gentrifiziert wird. Auf dem platten Land dagegen, gerade wenn man dort ein Eigenheim hat und deutlich Miete spart bzw. keinen Miethai fett füttern muss, macht es eher Sinn in den süß-sauren Apfel „Auto“ zu beißen und einem Autohersteller sein Geld in den Rachen werfen. Nur, wenn man das Geld hat und man ein neues Auto braucht, dann doch ein Elektroauto, auch wenn man damit die „Welt“ nicht rettet, genausowenig wie mit zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren und hohe Miete zahlen.

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