Kleckern statt Klotzen?

Jetzt sollen wir also schon bei den E-Mails sparen um das Klima zu retten. Ja, jede E-Mail verursacht angeblich 0,3g CO2 und das läppert sich eben bei Milliarden von E-Mails die täglich verschickt werden. Kleinvieh macht eben auch Mist …
Ja, wenn da nicht auch das Großvieh wäre, das noch sehr viel mehr Mist produziert. Gehen wir mal langsam die Skalenleiter hinauf: wie groß ist eine einfache Text-Email? ein paar Kilobyte vielleicht. Entsprechend Traffic und Speicherplatz verursacht sie im Internet und auf den Servern. Mit Anhang: ein paar hundert kByte, vielleicht ein paar Megabyte. Wie groß ist ein youtube-Video? mit nur ein paar Minuten in der geringstmöglichen Auflösung von 144p sind wir schnell im zweistelligen Megabyte-Bereich. Mit jeder Verdoppelung der Auflösung vervierfacht sich die Datenmenge. Wenn wir jetzt zu hochauflösenden Videos übergehen, dann geht der Datenverbrauch relativ zu einer reinen Text-E-Mail astronomisch durch die Decke. Dazu kommen Streams, Websurfen mit JavaScript und Werbung und der ganze Spam den man noch dazu in seine Mailbox bekommt. Dazu im Vergleich: wieviele E-Mails versenden Sie am Tag?
Lassen wir es 10 E-Mails mit je 100kByte à 0,3g CO2 sein, dann sind das 3g pro Tag und ca. 100g im Monat, ca 1,2kg pro Jahr. Wieviel Traffic verursachen Sie im Monat? im Jahr? 50 GByte im Monat sind mit Flatrate und pro Haushalt nicht unrealistisch. Das sind im Jahr 600 GByte. Das wären – so die Rechnung stimmt – ca. 1,8t CO2. Dividieren wir es durch 4 Personen, dann sind das immer noch 450kg pro Nase. 1,2kg davon durch E-Mails. Wahnsinn!

Aber es kommt noch besser: wie groß ist Ihr sonstiger CO2-Fußabdruck im Jahr? Wieviel (Nicht-Öko-)Strom verbrauchen Sie? Was geht an Heizung und Warmwasser (Heizöl, Erdgas) drauf? Wieviel geben Sie im Monat für Essen (Fleisch(!), Milchprodukte(!), Eier(!)) und Konsum aus? Wieviel für fossilgetriebene Mobilität (Bus&Bahn, Auto(!), Flugreisen(!))?
Der durchschnittliche Deutsche hat einen CO2-Fußabdruck von ca 9 t (lt. laenderdaten.info). Das sind ca. 9.000kg (der Schweizer übrigens trotz Alpen, Alphörnern und Schokolade nur ca. 4.000kg).
Jetzt fangen wir mal mit dem CO2-Sparen bei den E-Mails an … hmja, nehmen wir mal an wir sparen 50% der E-Mails ein. Dann haben wir bei 9.000 kg Gesamtemissionen eine Reduktion um 0,6kg, was einer prozentualen CO2-Einsparung von ca. 0,007% entspricht. Wow! Das bringt es echt! Damit werden wir das Klima retten!

Aber es kommt noch viel besser:
das ist nur Ihre persönliche, freiwillige Einsicht. Ihren Nachbarn¹ (¹stellvertrend für alle denen C02-Sparen egal ist) juckt es gar nicht wieviel oder wie wenig seine E-Mails oder sein sonstiger Konsum an CO2 verursacht. Das bedeutet nur ein Bruchteil der Bevölkerung bekommt es mit wie „klimaschädlich“ E-Mails angeblich so sind und davon auch wieder nur ein Bruchteil wird bereit sein die Komfortzone zu verlassen und daraus Konsequenzen ziehen. Das ist ja alles freiwillig. Liegen die 0,007% de facto schon unter der Nachweisgrenze wird die volkswirtschaftliche CO2-Rechnung zur puren Lachnummer. Das ist ungefähr so als wollten Sie mit einem Fingerhut den Bodensee leer schöpfen.

Dieses Beispiel mit den E-Mails macht deutlich, dass die ganze Klimadiskussion was die Konsequenzen angeht in eine vollkommen perverse Richtung verläuft. Der Kleckerkram wird zum Retter des Klimas aufgebauscht. Die wirklich großen Brocken werden unsichtbar (gemacht). Die Fliege im Porzellanladen wird mit großem Aufwand erlegt, während der herumtrampelnde Elefant vollkommen ignoriert wird.

Womit ich nicht sagen will, dass es vollkommen egal ist, wie Ihr virtuelles Konsumverhalten aussieht. Sie dürfen auch gerne sofort mit dem E-Mail-Sparen anfangen, was auch viele andere Vorteile hat z.B. statt einen Anhang ungefragt an 20 Leute verschicken und deren Mailbox vollmüllen, die Datei auf einem Server ablegen und nur den Link verschicken. Oder mal den Spam eindämmen. Ex&hopp-youtube-Videos auf 144p reduzieren, JavaScript (NoScript) und Werbung (uBlockOrigin) im Browser ausschalten bringt neben den Geschwindigkeits- und Sicherheitsvorteilen aber trafficmäßig viel mehr. Statt Streaming kann man sich auch offline ein eigenes TV-/Radioprogramm zusammenstellen, das nicht ständig online saugen muss.
Aber dann auch vergleichbar konsequent den übrigen CO2-Fußabdruck reduzieren und den Haushalt möglichst fossilfrei machen, vor allem eben die großen Brocken: direkter Energieverbrauch (Strom, Heizung, Warmwasser), Mobilität, Lebensmittel und Konsum. Und vor allem: tolerieren Sie nicht das System eines Staates, bei dem Sie in der Politik und Gesetzgebung sachunmittelbar kein Mitspracherecht haben, eben auch nicht wenn es um die Frage der politischen, gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen angesichts der inzwischen unvermeidlichen Klimakatastrophe geht. Denn wenn sie es tolerieren, dann sind Sie auch für die CO2-Exzesse Ihres Nachbarn¹ mitverantwortlich.

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