nicht sicher, aber aller Wahrscheinlichkeit und vor allem wenn es so weiter geht wie bisher.
Falsch zugeordnetes Zitat des Tages:
Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht selbst dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
— Maximilien de Robespierre
Gestern hat der Protest gegen die Corona-Zwangsmaßnahmen der Regierungen von Bund und Ländern in Berlin einen weiteren Höhepunkt erreicht. Zuerst verboten, dann doch gerichtlich zugelassen, wurde die Demonstration doch faktisch durch die Polizeikräfte stark behindert. Die Reden konnten jedoch vor den Menschenmassen gehalten und in den diversen Live-Streams verfolgt werden. Die Empörung über das Verbot und dann die Behinderung durch die Polizei war groß, die Redner erhielten viel Applaus, es lief alles weitestgehend gewaltfrei ab, nur hab ich mich bei allem gefragt: welche Druckmittel hat der Protest in der Hand? wie soll das Ganze konstruktiv weiter gehen? Woran hängen Erfolg und Misserfolg der Proteste?
Da ist zum einen die Staatmacht, die sich nicht sonderlich beeindruckt von dem Protest zeigt und sich nicht scheut öffentlich aus politischen Gründen unliebsame Demontrationen zu verbieten und sich sogar über rechtsgültige Gerichtsbeschlüsse mit fadenscheiniger Begründung faktisch hinweg setzt. Kritik daran ist seitens der Mainstreammedien kaum zu erwarten. Und selbst wenn der derzeit zunehmend repressiv agierende Staat zurückhaltender agieren würde, was kann eine – aus gutem Grund – gewaltfreie Bewegung erreichen?
Die unterschätzte Macht des institutionellen Diktatur
Und das bringt mich zum ersten Schwachpunkt der Bewegung: sie unterschätzt massiv die Staatsmacht. Im Sinne einer flexible response steht den institutionellen Machthabern ein ganzes Arsenal von Mitteln, Methoden und Strategien zur Verfügung, die je nach Verlauf der Proteste stretegisch-taktisch abgestuft eingesetzt werden können. Da hat die Staatsmacht in den letzten Jahrzehnten erheblich gegenüber der früheren „Knüppel raus!“-Doktrin dazu gelernt, auch in Hinblick auf die Kraft der Bilder. Der Einsatz von Polizeigewalt ist heute weniger ein ultimativer als taktisch-ablenkender Einsatz. Zum einen zur Demonstration des „Wir können auch anders“ und „Wir haben hier das Gewaltmonopol“. Und zum anderen lenkt Gewalt – ganz gleich von welcher Seite – immer von der Sache ab. Damit wird Gewalt zu einer Dosisfrage zwischen ausreichend Abschreckung und Ablenkung und der Verhinderung von Bildern von polizeilichen Gewaltexzessen.
Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten institutionellen Bollwerk, der Justiz. Diese kann der Staat auch strategisch-taktisch einsetzen. Mit wenigen, aber öffentlich vielbeachteten Alibientscheidungen kann diese sich den Ruf der „Unabhängigkeit“ und den des Staates als Rechtsstaat aufrecht erhalten, während die wirklich wichtigen Entscheide im Sinne der Staatsräson gefällt werden, dies aber dann gerne en passant und unter Mithilfe der Mainstreammedien unter den Teppisch gekehrt werden.
Und nicht zuletzt kann die Staatsmacht auf Zeit spielen. Mit jedem Tag unter dem Corona-Regime werden die Maßnahmen ein Stück weiter Normalität. Einzelnen, gesellschaftlichen Gruppen macht man Zugeständnisse dafür, dass sie die Füße still halten. Andere die sich nicht kaufen lassen, werden mit volksverhetzendem, massenmedialem Sperrfeuer weiter ausgegrenzt. Die tumbe Masse nimmt eh alles weiter hin, solange es noch gerade so reicht. Und es wird spannend wie sich der Demonstrationswille mit der Abnahme der Tageslänge weiter entwickelt. Die Zahl der Empörten mag erst mal noch weiter zunehmen, aber Wind, Regen und Kälte wirken doch sehr zuverlässig demotivierend auf jede demonstrierende Menschenmasse. Spätestens seit Helmut Kohl hat das Aussitzen in der Politik Konjunktur.
Fleisch vom gleichen Fleische
Das wäre wahrscheinlich schon ausreichend damit dem Protest früher oder später die Luft ausgeht. Aber die Mobilisierungserfolge dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass der Protest es sich auch selbst schwer macht.
So wie diskursive Tugenden wie Offenheit, Sachorientierung, Selbstkritik und nicht zuletzt demokratische Abstimmung zur Ergebnisfindung, die bei der Staatsmacht krasse Fehlanzeige sind, finden sich diese ebensowenig bei den Protestlern. Es geht praktisch jetzt schon analog wie bei der Staatsmacht nur darum eine Gegenideologie aufzustellen und die Reihen geschlossen zu halten. Selbst Kritik, die gegenüber den Protesten eigentlich wohlwollend eingestellt ist und zum Ziel hat diesen weniger angreifbar zu machen, trifft auf taube Ohren. Genauso wie die Staatsmacht fühlt man sich implizit zum Gralshüter der Wahrheit berufen und in diesem Sinne spricht man nicht nur der Staatsmacht und ihren Anhängern, sondern auch jedem anderen ab Kritik zu üben. Und statt handfester Sachdebatte rücken immer mehr emotionale Befindlichkeiten in den Vordergrund. So wie es auch immer nur oberflächlich um Corona geht und die tieferen Gründe was an diesem Staat alles faul ist und auch (die eigenen) Versäumnisse der Vergangenheit nicht thematisiert werden. Ich vermute dass es da sonst zu sehr zu kognitiven Dissonanzen kommen würde, denn alle die erst jetzt gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen, haben vorher bei jedem Unrecht, das dieser Staat beging, die Füsse still gehalten offenbar weil es ihnen gut ging und sie nicht selbst davon betroffen waren. Erst jetzt wo auch die eigene Hütte brennt, ist das Geschrei groß. Ob man aber nicht selbst vorher das Feuer ignoriert hat, als die Hütte vom Nachbarn brannte oder gar sich dabei heimlich ins Fäustchen lachte, damit will sich niemand konfrontieren.
Diese inneren Widersprüche fallen jetzt vielleicht noch nicht so auf, weil der Zulauf noch so stark ist und sich der Protest noch am Anfang und in einer Wachstumsphase befindet. Aber die Risse im eigenen Lager sind schon vorgezeichnet und wenn es mal nicht mehr so glatt läuft, intern immer mehr Leute frustriert und resigniert die Bewegung verlassen, man irgendwann die einhunderste Befindlichkeit zum zwanzigsten mal hört, sich keine nachhaltigen Erfolge einstellen, weil es eben kein effektives Druckmittel für die Bevölkerung gibt, die Politik zu etwas zu zwingen und nicht umgekehrt, dann werden diese Risse in der Bewegung aufbrechen und zu ihrem Ende führen. Formal wird dann der Protest von einigen Unentwegten noch fortgesetzt wie bei der Piratenpartei oder S21, aber spätestens wenn in den Massenmedien das große Schweigen ausgebreitet wird, dann ist es vorbei.
Was auch ein Schwachpunkt der Protestbewegung und der mit ihr verknüpften alternativen Medien ist: sie haben keine eigene politische Agenda, sondern übernehmen diese von der Politik und den Mainstreammedien. Und sobald dort eine anderen Sau durchs Dorf getrieben wird, ist beim Corona-Protest die Luft endgültig raus.
Das verwundert alles nicht, sind die Protestler doch weitgehend identisch mit den braven Bürgern, die es sich auch vorher im System bequem gemacht haben und von diesem geformt wurden und letztendlich die gesamte Bevölkerung in Deutschland spätestens seit 1848 mit Rohrstock, Befehl und Gehorsam und nicht zuletzt mit Pulver und Blei auf Linie gedrillt wurden. Die wenigsten von uns dürften eine demokratische Familientradition vorweisen können, die bis nach 1848 reicht. Bei den meisten dürfte es schon nach einer Generation dünn werden.
„Wer eine Diktatur verdeutlichen möchte, muss sie dazu zwingen sich vor der breiten Masse wie eine zu verhalten“. Das geschieht gerade. Und wenn das alle sehen und wissen, werden wir ja sehen, ob eventuell künftige Wahlen oder Volksentscheidungen anders ausfallen. Ich selber glaube eher aus einem anderen Grund daran, dass das nichts wird: Weil die Menschen in Deutschland nicht die Eier haben sich zur Not auch konsequent gegen die Obrigkeit aufzulehnen, sondern insgeheim eine wollen. Niemand würde hier die kritische Masse für eine wahre Rebellion zusammenbekommen. Dafür haben TV-Indoktrination und ein Sklaven-Schulsystem in den letzten Jahrzehnten sicher gesorgt. Schon damals mussten ja Aliierte Deutschland „befreien“, von innen heraus wäre das bei dieser großen Zahl an heimlichen Mitläufern und Steigbügelhaltern des Systems nie möglich gewesen. Und viel weiter entwickelt haben sich die Menschen in diesem Land in 3 Generationen leider nicht… eher noch zurück..
Letzteres wollte ich in meinem letzten Absatz zum Ausdruck bringen. Seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten wurde der Bevölkerung in Deutschland der Kadavergehorsam eingeprügelt. Da nehm ich mich selbst nicht aus. Nur besonderen psychologischen Umständen ist es zu verdanken, dass ich ein bisschen anders ticke. Sonst wäre ich wahrscheinlich auch jemand dem alles egal ist, so lange es gerade noch reicht.
Ein typisches Beispiel wie der Corona-Protest verklärt wird.
Das beisst sich nur mit meiner persönlichen Erfahrung und wie ich erfahren habe soll es anderen ähnlich gehen. Fähig? Freundlich? gegenseitige Hilfe? Kollegialität? Akzeptanz? Vergangengheit, Gegenwart und Zukunft? unbeirrbar und konfliktfähig? kompromissbereit und konsensorientiert?
Wenn das alles zutreffen würde, dann müsste die Bewegung Friedensnobelpreis und Heiligsprechung in einem bekommen. Nach meiner Erfahrung mangelt es so ziemlich an allen Punkten die hier idealisiert dargestellt werden. Ich persönlich habe mal den Akzeptanz-Test bei einer örtlichen Demo-„Gemeinde“ gemacht. Negativ! Auf meinen eingereichten Redebeitrag kam Null-Reaktion mehr. So ähnlich in einem vorgeblich kritischen Blog. Statt Kommunikation und Diskurs, erst pampige Reaktion und dann (nach Zensur meiner Kommentare) nur noch Schweigen. Gerade was der Autor Anselm Lenz so positiv hervorstreicht, genau daran mangelt es der Bewegung: Freundlichkeit, Offenheit und Menschlichkeit. Ironischerweise genau das was der Gegenseite implizit vorgeworfen wird. Diese inneren Widersprüche, dass der Protest immer mehr zur Show einiger weniger wird und jeder der was anderes sagt oder Bedenken anmeldet ausgegrenzt wird, wird den Protest immer mehr schwächen. Spätestens wenn Wahlen (Neuwahlen werden ja auch gefordert) anstehen, dann stellt sich für die Protestbewegung die Gretchenfrage: Marsch durch die Institutionen oder nicht? Und dann wird sich die Bewegung wie schon die Grünen in Fundis und Realos spalten und von beidem wir nicht viel übrig bleiben. Soviel zur Zukunft. Die Vergangenheit wird gekonnt ignoriert. Keiner fragt sich warum er erst jetzt das Maul aufmacht und nicht schon vorher. Und dass alle die erst jetzt auf die Straße gehen um ihre alten „Freiheiten“ zurück haben wollen, vorher doch mit diesem Unrechtsstaat wohl hervorragend leben konnten. Die Gegenwart scheint noch die meiste Bedeutung für die Protest-Bewegung zu haben. Nur deren Bedeutung schwindet, wenn die Gegenseite auf Zeit spielen kann und keine dauerhaften Erfolge erzielt werden können (auch weil es keine wirklich konkreten politischen Ziele gibt, außer die Aufhebung der Pandemie-Ausnahmezustand und der Maßnahmen zum sogen. „Infektionsschutz“. Darüber hinaus sind selbst die Forderungen wie z.B. direkte Demokratie, neue Verfassung usw. sehr vage, von einem Weg wie das umgesetzt werden soll, ganz zu schweigen. Speziell in Sachen direkter Demokratie habe ich keinerlei Sachkompetenz in der Protest-Bewegung ausmachen können.