Krieg ist die Hölle
Ihr Leute sprecht so leichtfertig vom Krieg; ihr wisst nicht, wovon ihr redet.
— William Tecumseh Sherman
Wenn man bisher Krieg nur aus dem Fernsehen kennt, oder bislang es immer mit einem militärisch nominell unterlegenen Gegner zu tun hatte, wenn man sich auf eine bestimmte militärische Präferenz festgelegt hat, dann kann es mitunter ein böses Erwachen geben, wenn der Gegner auf einmal militärische Mittel anwendet gegen die die eigenen, bisher erfolgreichen, nicht mehr viel ausrichten, der Gegner eine militärische Großmacht mit Atomwaffen ist und er dann auch noch real vor einem steht.
So scheint es gerade den wertewestlichen Söldnern im Ukraine-Konflikt mit Russland zu ergehen. Viele der Söldner, die eben in wertewestlichen Militärs ausgebildet wurden und dort dienten, sind das erste mal mit dem russischen Militär direkt und insbesondere mit dessen Artillerie konfrontiert. Wenn einem jederzeit eine russische Rakete auf den Kopf fallen und man dagegen fast nichts machen kann, dann ist Krieg eben nicht mehr das Ego-Shooter-Game im Computer oder die Meldung im Fernsehen und auch nicht der asymmetrische Kampf gegen einen Gegner ohne schwere oder wenn veralteten Waffen (wie im Irak), dem praktisch nur der Guerillakampf bleibt (wie in Afghanistan). Und Russland hat dazu auch noch die Lufthoheit über der Ukraine, während die USA und NATO in ihren eigenen Angriffskriegen immer selbst die Lufthoheit hatten und den Gegner so leicht aus der Distanz mit einem Bombenteppich überziehen konnten. Das funktioniert in der Ukraine nun nicht mehr. Dazu scheint die russische Artillerie keinerlei Nachschubprobleme zu haben, während die ukrainische Armee zwar vom Wertewesten hochgerüstet wurde, aber in wenigen Wochen die US-Jahresproduktion an Munition verbraucht.
Russland angreifen. Super Idee!
Was soll da schon schief gehen.
Das ist ja noch nie schief gegangen!
— die Imperiumsbürokraten – aus: Die Känguru-Apokryphen
Ja, die letzten wirklich großen Kriege gegen Russland liegen wohl schon zu weit zurück und die Niederlagen waren offensichtlich nicht total genug, als dass sie einen nachhaltig abschreckenden Effekt auf die kommenden Generationen gehabt hätten. Insbesondere auf Deutschland trifft wohl eher das Gegenteil zu, denn: sehen so Verlierer aus? Die USA hatten es nach 1945 eilig Deutschland als Verbündeten gegen den Kommunismus und die Sowjetunion aufzubauen und die US-freundliche politische classe politique um den „Fuchs“ Adenauer herum hatte es genauso eilig wieder eine Wehrmacht und Rüstungsindustrie aufzubauen. Im labilen Spiel des „Gleichgewichts der Kräfte“ kam es zwar nie zur direkten Konfrontation mit der Sowjetunion, aber als der erste „kalte Krieg“ „gewonnen“ war, glaubten die US-Eliten in ihrem globalen Größenwahn sich nun Russland untereinander aufteilen zu können. Als dem Putin einen Strich durch die Rechnung machte, dachte der Wertewesten er könne Russland ein zweites mal in einem „kalten Krieg“ besiegen. Doch Russland kehrte nicht zur kommunistischen Planwirtschaft zurück, sondern wurde selbst zum kapitalistischen Global Player, ganz zu schweigen von der VR China, die in den vergangenen drei Jahrzehnten einen raketenmäßigen Start seiner Wirtschaft hinlegte und inzwischen auch militärisch ein Global Player ist und womöglich sogar der größere Konkurrent für die USA um die Weltherrschaft.
Der Wertewesten hat gezielt in den letzten Jahren, spätestens seit 2014 die Ukraine militärisch aufgerüstet mit der vollen Absicht Russland militärisch ein Waterloo zu bereiten. Dass Minsk II ein Ablenkungsmanöver von Merkel&Co. war um Zeit für die Aufrüstung der Ukraine zu gewinnen, hat Angela Merkel im ersten Interview als Ex-Kanzlerin ja auch offen zugegeben. Und auch Poroschenko hat dies mittlerweile offen zugegeben. Die Frage ist nur welche von beiden Seiten sich hier verrechnet hat. Denn Russland und Putin waren zwischenzeitlich nicht untätig und verfügen nun über Hyperschallraketen, die die militärische Überlegenheit der Artillerie noch erhöht haben. Und der Wertewesten, insbesondere die NATO, muss mit einer wenn nicht gar zwei Händen auf dem Rücken kämpfen (oder ganz ohne Arme und Beineyoutube-Link), während Russland zwar keinen erklärten Krieg führt und nicht die ganze Ukraine dem Erdboden gleich macht, aber sein gesamtes militärisches Potential gegen die militärischen Ziele in der Ukraine zum Einsatz bringen kann. Die Beistandpflicht im Bündnisfall ist gerade Stärke und Schwäche der NATO zugleich: einerseits wird es Russland nicht wagen NATO-Territorium ohne Not anzugreifen, andererseits verhindert diese Beistandspflicht der NATO im Bündnisfall gerade, dass einzelne NATO-Länder der Ukraine militärischen Beistand leisten und offen gegen Russland kämpfen, denn dies hätte sofortige, militärische Gegenschläge Russlands auf das betreffende Land zur Folge und damit den Kriegseintritt der NATO. In der NATO Führungsebene sitzen vielleicht nicht die allerhellsten Kerzen auf der Torte, aber so blöd einen direkten Krieg mit Russland vom Zaun zu brechen und dessen Raketen, selbst ohne atomare Sprengköpfe, auf den Kopf zu kriegen, ist selbst die NATO-Führung nicht. Zumal wie das Beispiel der Söldner zeigt, die NATO auf einen solchen Krieg mit einer Artillerie- und Raketenmacht wie Russland gar nicht eingestellt ist. Die letzten die mit Russlands Artillerie vergleichbare Bekanntschaft gemacht haben wie jetzt die ukrainische Armee, waren die deutschen Truppen im 2. Weltkrieg an der Ostfront. Die „Stalinorgeln“ waren berühmt, berüchtigt, gefürchtet und führten nicht zuletzt zu den hohen menschlichen Verlusten der deutschen Armee an der Ostfront. Ein ähnliches Szenario zeichnet sich gerade in der Ukraine ab: nach anfänglich relativ großen Verlusten hat sich die russische Armee und deren Führung auf den Gegner eingestellt und macht ihm unter geringsten eigenen Verlusten gerade mit seiner Artillerie die Hölle heiß.
Ja, man hätte es früher wissen können. Schon Generäle wie ein William Tecumseh Sherman, dem „Erfinder“ des totalen Krieges, beschönigte nichts am Krieg:
Sie können den Krieg nicht härter charakterisieren als ich. Krieg ist Grausamkeit, und man kann ihn nicht verfeinern.
Wie Krieg zum Schlachthaus wird, insbesondere wenn eine veraltete militärische Taktik auf moderne Waffensysteme trifft, dem sei die Doku „The Civil War – der Amerikanische Bürgerkrieg„youtube-Link von Ken Burns empfohlen.