Der Propagandakrieg um den Anschlag auf die Gaspipelines von Russland nach Deutschland ist voll im Gange. Einig sind sich alle nur in der Frage ob es sich um einen Anschlag handelt. Bei der Frage wer dafür verantwortlich ist gehen die Ansichten erwartungsgemäß auseinander. Die wertewestliche Seite hat natürlich als erstes Russland im Verdacht und unterstellt eine „Provokation“, false-flag Operation (seltsamerweise nicht der Ukraine bei Butcha) u.ä. Die pro-russische Seite sieht klare Verdachtsmomente, Absichtserklärungen und Motive auf Seiten der USA und ihrer Vasallenstaaten. Kann sich jeder davon in den einschlägigen Medienorganen davon einen Eindruck verschaffen.
Doch so einfach und schwarz-weiß ist die Sachlage nicht. Zunächst gibt es ein Problem die Fakten zu untersuchen, denn das Gas strömt weiterhin aus und an eine Pipeline 70 Meter unter dem Meeresspiegel kommt man nicht so leicht heran um sie forensisch zu untersuchen. Handfeste Beweise gibt es also (noch) nicht und alles bewegt sich mehr oder weniger im Bereich der Spekulation. Aber man kann schon so einige logische Überlegungen anstellen, auch durch Rückblick auf ähnliche Ereignisse in der Vergangenheit und nicht zuletzt aus geopolitischer Sicht.
Fest steht zumindest: sowohl die USA als auch Russland als Staat mit hochtechnischem Militär wären zu einem solchen Anschlag in der Lage gewesen. Theoretisch wären auch andere Staaten dazu in der Lage, aber ob nun die USA, GB, UKR, Kanada oder irgendjemand anderes aus dem wertewestlichen Lager, spielt wohl eher eine untergeordnete Rolle in diesem geopolitischen Schachspiel.
Bei der Frage „Wem nützt es?“ wird es schon schwieriger, denn es gibt nicht nur einen direkten Nutzen – der wohl eher auf Seiten der USA&Co. liegt – sondern auch einen indirekten Nutzen, wenn man einen solchen Anschlag einem anderen in die Schuhe schieben kann, die bekannten false-flag Operationen. Die USA haben nämlich nicht nur Vorteile aus der Zerstörung der Pipelines, wie eben die Tatsache, dass Russland auf Monate hinaus, wenn nicht dauerhaft, kein Gas mehr direkt nach Deutschland liefern kann und Deutschland Gas woanders kaufen muss. Die Zerstörung der Pipeline muss als Anschlag auf vitale Infrastruktur politisch als „unfreundlicher“, wenn nicht gar „terroristischer“ oder „kriegerischer“ Akt gewertet werden. Es wird von „Kriegserklärung“ und „schärfsten Reaktionen“ gesprochen, nur: wer gegen wen? Deutschland im Kriegszustand mit den USA? Schwer vorstellbar. Aber wenn die USA für den Anschlag verantwortlich wären oder verantwortlich gemacht werden könnten, dann wäre das sicherlich eine schwere Belastung für die wertewestliche Seite. Denn wenn die USA bereit sind derart „unfreundlich“ und nebenbei auch ein massiver Anschlag auf die Umwelt gegen ihre europäischen Bündnispartner zu agieren, stellt sich die Frage ob und wieviel sie bereit sind noch mehr von diesen zu opfern, bis hin zu einem nuklearen Schlagabtausch auf einem europäischen Schlachtfeld. Diese Überlegungen würden Russland nutzen um einen Keil in die bislang mehr oder weniger geschlossene Phalanx des Wertewestens zu treiben.
Das Kalkül der USA könnte auch noch ganz anders aussehen als die vordergründige Zerstörung der Pipelines und Stop jeder Möglichkeit direkter Gaslieferungen aus Russland an Deutschland. Wie bereits zuvor gesagt ist eine forensische Untersuchung des Anschlags schwierig. Und die Stelle des Anschlags liegt zwar in internationalen Gewässern aber in den ausschließlichen Wirtschaftszonen von Dänemark und Schweden, die beide im wertewestlichen Lager und der NATO zu verorten sind. Ob hier eine neutrale Untersuchung erfolgt und Spuren gefunden werden, die die Täterschaft eindeutig klären, ist da fraglich. Zumal vom Täter und selbst korrupten Ermittlern auch falsche Spuren gelegt worden sein könnten oder werden. Auch hier sind false-flag Operationen möglich und denkbar, quasi eine double-false-flag Operation. Es könnte also am Ende ausgehen wie im Fall des Abschusses von MH17 wo am Ende der Untersuchungen auch niemand eindeutig verantwortlich gemacht werden konnte bzw. eine Verantwortung allseitig bestritten werden konnte.
Fazit: vordergründig gibt es für beide Seiten Vor- und Nachteile, jeweils mit umgekehrten Vorzeichen. Den USA bzw. dem Wertewesten, der kein Gas aus Russland mehr will, kommt eine endgültige Zerstörung von Nord Stream gerade recht. Russland, das die Pipeline in eigener Regie fertig stellen musste und (wieder) liefern würde wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dagegen nicht. Wenn die USA für den Anschlag verantwortlich gemacht werden könnten, würde dies als unfreundlich/terroristisch/kriegerischer Akt die wertewestliche Seite politisch schwer belasten, was Russland politisch und propagandistisch zugute kommen würden, den USA dagegen nicht. Wenn es dagegen gelänge Russland verantwortlich zu machen, dann hätte Russland den politischen und propagandistischen Schaden, während die USA faktisch und politisch-propagandistisch profitieren würden. Ich tippe am Ende auf ein MH17-Ergebnis in dem beide Seiten weiter abstreiten können verantwortlich zu sein. Verlierer werden dabei vor allem die Umwelt und die deutschen Gas-Heizer sein, denen wahrscheinlich ein teurer und kalter Winter bevorsteht und das primär nicht aus Witterungsgründen.