800km unvorbereitet auf Termin mit dem Tesla nach Polen

In der Berliner Zeitung ist der Katastrophenerfahrungsbericht eines Mietwagenkunden erschienen, der mit einem Tesla nach Polen zur Handball-WM fahren musste. Zum besseren Verständnis des Folgenden empfehle ich diesen Artikel zuerst zu lesen.

So bedauerlich die unguten Erfahrungen des Mietwagenkunden auch waren, so ungerecht ist sein Urteil in dem er dem Elektroauto alle Schuld zuschiebt und den Vermieter des Tesla so gut wie ungeschoren davon kommen lässt. Letzterer hat meiner Ansicht nach die Hauptschuld und nicht das Elektroauto, schon gar nicht im allgemeinen. Das beginnt schon damit, dass der Vermieter offensichtlich unfähig war den vereinbarten Mietwagen (einen Verbrenner-VW) in einem verkehrstüchtigen Zustand bereit zu stellen. Weiter muss es als grob fahrlässig bezeichnet werden, dem Kunden einen Tesla als „alles bestens“ Alternative anzudrehen, was sich als absolute Luftnummer entpuppte und was er hätte wissen können und müssen. Dazu der Termindruck des Kunden, der Ladepausen nicht eingeplant hatte bzw. mit Reichweite im Winter und Zeitbedarf für Ladestops vollkommen überfordert war, was aber auch nicht sein Fehler und auch nicht der des Elektroautos war, sondern wieder des „alles bestens“-Vermieters, der das hätte wissen können und müssen. Das was dann passierte war also eine Katastrophe mit Ansage. Dazu die Hilflosigkeit der Firma bei Problemen, auch wieder deren Fehler bzw. Inkompetenz.
Zu solchen Katastrophen kommen immer mehrere unglückliche Umstände zusammen. Technische Fehler oder Unausgereiftheit im Auto allein führten nicht zu der Katastrophe, das war nur noch ein Eimer Wasser in das längst übergelaufene Faß.

So verständlich auch der Unmut des Betroffenen und seines Kumpels, er hätte statt an den Elektroautos eher sein Mütchen an der inkompetenten Mietwagen-Firma kühlen sollen, die ihm dies alles hauptverantwortlich eingebrockt hat.

Die Artikelautorin hat da mit der Bildunterschrift „Eine Reise mit einem Tesla-Elektrowagen muss man anders planen.“ etwas mehr Abgeklärtheit bewiesen. Ein Elektroauto ist eben kein Verbrenner, dessen Tank man in Nullkommanix wieder aufgefüllt hat. Ein Elektroauto muss man anders fahren. Und man muss sich mit der Technik und den Besonderheiten auskennen. Früher wurde in der Fahrschule noch Motorentechnik gelehrt. Das ist wohl schon lange vorbei, aber trotzdem muss man als Fahrzeugführer mit grundlegenden Funktionsweisen seines Autos vertraut sein, allein schon um an der Tanke den richtigen Sprit einzufüllen.
Und man muss mit dem Elektroauto seine Reisen und besonders die Reisezeit richtig einplanen, auch und gerade im Winter. Mit einem vollkommen unbekannten Auto 800km eben mal zwischen Tür und Angel auf Termin und auch noch ins Ausland düsen … da lehne ich mich mal aus dem Fenster: das kann nicht gut gehen, aber nicht wegen dem Elektroauto an sich. Meine Erkenntnis, wer ein Elektroauto nicht fahren sollte lautet:
„Wenn Sie Vertreter im Außendienst mit dem Pulsschlag eines Kolibri sind, dann ist ein Elektroauto (derzeit noch) nicht das Richtige für Sie.“

Ein Wort noch zu dem Personal der Mietwagenfirma und deren Elektroauto-Kompetenz sich mit „Keine Ahnung, aber davon ziemlich viel“ zusammenfassen lässt: ich habe in Foren zu Elektroautos und auch schon im sozialen Umfeld immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Leute, die mit dem Verkauf/Vermietung/Reparatur von Elektroautos meinen ihr Geld verdienen zu müssen, nicht selten keine Ahnung von Elektroautos haben und den Kunden das Blaue vom Himmel herunter schwatzen. Das ist aber eben nicht das inhärente Problem der Elektroautos, sondern einer Branche, für deren Protagonisten, die Jahre und Jahrzehnte nichts anderes kannten als Verbrenner und wenn sie hellere Lampen im Lampenladen gewesen wären, wohl einen intellektuell anspruchsvolleren Job gewählt hätten, Elektroautos vollkommen unbekannte Wesen sind. Das sollte man als Kunde im Hinterkopf behalten, ganz davon abgesehen, dass man sich generell nur mit Firmen einlassen sollte, die grundlegende Standards in Punkto Kompetenz und Kundenservice erfüllen.

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Eine Antwort zu 800km unvorbereitet auf Termin mit dem Tesla nach Polen

  1. cassiel schreibt:

    Der Artikel hat wohl in allen Lagern zum Thema Elektromobilität hohe Wellen geschlagen, denn die Berliner Zeitung, sprich die Artikelautorin Liudmila Kotlyarova hat noch mal nachgelegt und einen neuen Schuldigen gefunden:
    Tesla.
    Ich sach mal so: mein Verhältnis zu Tesla ist gelinde gesagt ambivalent. Einerseits freut es mich, dass Musk&Co. der Automobilbranche mal so richtig einen Tritt in den Arsch gegeben haben, andererseits bin ich vom Führungsstil, Kommunikation und Kundenservice bei Tesla alles andere als überzeugt. Nur man darf Tesla auch nicht die Schuld an allem geben und ein Tesla ist – was sicher viele Tesla-Fahrer bestätigen können – an sich kein schlechtes Auto. Sonst wäre Tesla schon lange Pleite.
    Also noch mal ein bisschen sortieren, wer hier woran Schuld ist:
    Wir leben mittlerweile im Jahr 2023 und das Internet wurde nicht erst gestern erfunden. Man kann sich inzwischen bestens über Elektroautos und was man dabei grundsätzlich beachten muss ausgiebig informieren – wenn man will.
    Die Ausrede, dass das alles der Job der Hersteller sei lass ich so nicht gelten. Wer früher Stiftung Warentest-Berichte vor dem Kauf einer Waschmaschine lesen konnte, der kann sich auch heute vor dem Kauf eines Elektroautos informieren ohne auf Werbeprospekte von Herstellern angewiesen zu sein. Nur beim Autokauf geniesst der Verbraucher in Deutschland ob der Emotionalität der Kaufentscheidung wohl noch Welpenschutz. Das kann man als Ausrede nehmen, aber nicht als Argument.
    Und hinsichtlich der Kommunikationspolitik nimmt sich Tesla gegenüber den anderen Autoherstellern nix. Das ist ein knallhartes Business, eine Schlangengrube in die sich Tesla gewagt hat und da ist man am besten selbst eine Schlange. Tesla benimmt sich mindestens genauso arrogant wie alle anderen Autohersteller: Vogel friss oder stirb!
    Humanistischen Aufklärungsgesäusel über Elektromobilität darf man da nicht erwarten. Tesla ist wie alle anderen da um Profit zu machen und die Kunden sollen die Autos ja nur kaufen und nicht damit durch die Gegend fahren. Reality check, please, Mrs. Kotlyarova. Ja, das Marketingkonzept von Tesla setzt auf virales Marketing in Social Media. Dadurch exponiert sich Tesla in der Öffentlichkeit. Eine besondere Verantwortung leitet sich daraus aber nicht ab, wie unsere Politiker täglich demonstrieren. Man mag das bedauern, aber es liegt immer noch weitestgehend in der Eigenverantwortung der selbständigen Autoverkäufer und -vermieter in wie weit sie sich kompetent in Sachen Elektromobilität machen. Und man muss noch mal betonen: dieser nicht genannt bleibende Autovermieter ist eine absolute Niete und das in jeder Hinsicht für den Kunden.

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